Portrait

„Ich bin ein Überzeugungstäter mit Leidenschaft und Herzblut“

Er sitzt an der Spitze vom größten Modekaufhaus der Metropolregion: Thomas Weckerlein ist Vorstandsvorsitzender der Nürnberger Modehauskette Rudolf Wöhrl SE. Zusammen mit mehr als 1.400 Mitarbeitenden an 29 Standorten hält er für jeden Geschmack das passende Kleidungsstück parat. Wir haben mit ihm gesprochen – über seinen Werdegang, seinen Auftritt bei „Undercover Boss“ und was ihn als CEO antreibt.

Der Einstieg ins berufliche Leben

„Würde ich meinen eigenen Lebenslauf sehen, würde ich mich nicht einstellen. Er ist ein bisschen krumm.“ Selbstkritisch blickt Thomas Weckerlein auf den Beginn seiner beruflichen Laufbahn zurück und ist dennoch – oder gerade deswegen – dankbar für jeden einzelnen Schritt. 1984 beginnt der heute 54-Jährige bei der AOK eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten und Krankenkassenfachwirt und wurde nach dem erfolgreichen Abschluss auch als Betriebsprüfer übernommen.

„Ich war alle vier Jahre der Böse, der einen Betrieb zerlegt, für gut oder schlecht befindet und sich dann wieder verdrückt“, schmunzelt Weckerlein. In seinem Prüfbezirk waren nicht nur etliche Lebkuchenfirmen, sondern auch das Modehaus Wöhrl. Die erste Berührung mit seinem zukünftigen Arbeitgeber war also eine reine Routinekontrolle zur Sozialversicherung.

„Diesen Tag werde ich nie vergessen“

Am 04. Dezember 1997, einem Donnerstag, ruft dann der damalige Personalchef von Wöhrl bei Thomas Weckerlein an: Er wäre auf der Suche nach jemandem, der sich mit Lohn- und Gehaltsabrechnungen auskennt. Nachdem Weckerlein lange mit sich hadert, beginnt für Weckerlein im Sommer 1998 bei Wöhrl schließlich ein neues Kapitel. Die Anfangszeit dieser neuen Herausforderung hat er in spaßiger Erinnerung: „Ich dachte, ich bin beim Deutschen Wetterdienst gelandet.” Denn viele Gespräche drehen sich um das aktuelle Wetter. Mal sei es zu regnerisch, mal zu heiß, sodass die Kundschaft ausbleibt.

„Ich dachte, ich bin beim Deutschen Wetterdienst gelandet.”

Thomas Weckerlein über seine Anfangszeit bei Wöhrl

Weckerlein gewöhnt sich schnell ins Team ein und erlebt über die Jahre – ab 2002 als Personalleiter – einiges. Vorstände kommen und gehen und auch im Marketing, Verkauf oder in der Logistik gibt es viele personelle Veränderungen. Ende 2013 verlässt er schließlich selbst den Modehausgiganten und findet bei der VERTIKOM Agenturgruppe eine neue Herausforderung. „Ich habe zwar die Wöhrl-Bühne verlassen, das Interesse an der Entwicklung des Unternehmens ist geblieben.“

„15 Jahre war ich bei Wöhrl und habe viele Kapitel erlebt und selbst mitgeschrieben, aber irgendwie fehlte noch das Ende.“

Die Rückkehr zu Wöhrl 2017 ist eine reine Bauchentscheidung und fällt in die Zeit nach dem Schutzschirmverfahren, kurze Zeit später wurde er in den Vorstand berufen. Oberste Priorität bei dieser Vorstufe zum Insolvenzverfahren ist die eigenverantwortliche „Sanierung” des eigenen Unternehmens, wobei der Geschäftsführer voll handlungsfähig bleibt. Über zwei Jahre ist es deshalb Weckerleins Aufgabe Human Resources Strukturen zu überarbeiten und Abläufe neu zu denken. Immer in enger Zusammenarbeit mit allen Mitarbeitenden. Durch kleine Erfolge und finanzielle Einsparungen wächst das Selbstbewusstsein und die Motivationsstärke in der Belegschaft wieder. Die Learnings aus dieser Zeit helfen ihm auch bei der Bewältigung der letzten drei Jahre. 

Die Corona-Pandemie hat seit Beginn 2020 schwerwiegende Folgen für den Modegiganten in Nürnberg. Doch auch während des harten Lockdowns von Dezember 2020 bis Mai 2021 mit 2G-Regelungen bleibt Weckerlein zuversichtlich: „Das Wöhrl-Auto hat in dieser Zeit einige Beulen abbekommen, aber es fährt noch.“ 2022 entspannt sich allmählich die pandemische Lage. Der Krieg in der Ukraine ist eine neue Herausforderung und löst spürbare Kettenreaktionen aus: Die Energiekrise und Inflation verunsichern die Verbraucher. Das Konsumverhalten wird zurückhaltender und die Kassenbons kleiner. Dennoch bleibt dank neuer Marketing-Kampagnen der Umsatz stabil.

„Als Führungskraft warte ich bei Schlechtwetter nicht auf Sonnenschein, sondern gehe standhaft im Regen voraus.“

Neben Thomas Weckerlein sind auch Martin Barzauner und Thomas Rothe in der Führungsebene tätig. Unternehmenseigentümer ist Herr Christian Greiner, Enkel des ursprünglichen Unternehmensgründers. Gemeinsam bewältigen sie auch den Kampf gegen das zunehmende lokale Ladensterben. „Wie Gallien in den Asterix-Comics stellen wir uns als kleines Einzelhandelsgeschäft gegen das Ladensterben in der Nürnberger Innenstadt.“ Die Aufrüstung hierzu fand schon 2019 mit dem Abriss vom alten Gebäudeteil des Haupthauses in der Fußgängerzone statt. 

Viele weitere bauliche Maßnahmen waren schon vor der Pandemie finanziell und materiell unter Dach und Fach, sodass hier kaum Sorge um eine Zielverfehlung bestand. Erst kürzlich wurde dann das Megakaufhaus im September 2022 neu eröffnet. Und das Feedback ist durchweg positiv. Viele Stammkunden würden weiterhin kommen „und auch neue junge Kunden nutzen unsere Angebote der nachhaltigen Mode im ‚U-eins-Bereich‘.“ Die Erdgeschossfläche wurde mit zwei Cafés in einen Gastronomiebereich umgewandelt und zieht mit Außenbestuhlung Passanten an. 

Verkleidet als Rocker im Fernsehen

Als ein unverhofftes Highlight in seiner Karriere hat Thomas Weckerlein die Teilnahme bei der RTL-Serie „Undercover Boss“ in Erinnerung. Erst zögerlich, dann aber bestimmt, sagt er zu. „Unsere Außenwirkung war seit dem Schutzschirmverfahren angeschlagen.“ Ziel war es, durch die Serie wieder positive Schlagzeilen in der Presse zu generieren. Während der 10 Drehtage konnte er schließlich aus eigenen Erlebnissen einen Nutzen für das gesamte Unternehmen ziehen. Die Ausstrahlung war 2019. In dieser Zeit merkt Thomas Weckerlein, der neben seinem Vollzeitjob als Vorstandsvorsitzender auch als ehrenamtlicher Arbeitsrichter vermittelt und Brücken baut, wie wichtig ihm im Umgang miteinander Zuhören und Respekt sind.

Nach den letzten turbulenten 20 Jahren schaut Thomas Weckerlein zufrieden auf eine bewegte Geschichte des Mode-Imperiums mit Hauptsitz in Nürnberg zurück. Vor mehr als 80 Jahren gründete Rudolf Wöhrl das Familienunternehmen mit seiner Frau Berta Wöhrl. Seitdem ist immer Bewegung im Betrieb. Das Sortiment ändert sich, die Belegschaft steht im Wandel und Kunden ändern Kauf-Interessen. Eines bleibt aber sicherlich noch die nächsten Jahre bestehen: „Zu Wöhrl kommen ganze Familien und lassen sich modisch beraten, Kinder können sich austoben und Erwachsene im Gastronomie-Bereich ausruhen.“

Thomas Weckerlein (Rudolf Wöhrl SE) & Constantin Kaindl (Bürobesuch.de)

Entdecken Sie uns auf