Portrait

„Nürnberg hat das charaktervolle Gesicht einer älteren Frau mit…“

Hobbykoch, 58-Jahre alt und immer noch mit ehemaligen Schulkameraden befreundet – all das trifft auf den Kopf der fränkischen Großstadt Nürnberg zu. Wir haben Dr. Ulrich Maly zum Interview getroffen. Mit uns hat er über dicke Bürgermeister, das Verhältnis zur Nachbarstadt Fürth und (andere) Katastrophenfälle gesprochen.

„Welche Parallelen es zwischen dem Kochen und der Stadtpolitik gibt? Zu viele Köche verderben den Brei.“

Dr. Ulrich Maly

Bürgermeister statt Bankier

Nürnbergs Oberbürgermeister ist studierter und promovierter Volkswirt mit der Dissertation „Wirtschaft und Umwelt in der Stadtentwicklungspolitik“. In die Stadtpolitik geriet er eher zufällig. Maly erzählt, er habe den damaligen Fraktionsvorsitzenden der SPD im Stadtrat in einer Kneipe getroffen.

„Natürlich überlegt man dann. Wenn du zur SPD gehst, machst du danach keine Bankkariere mehr“, erläutert er seinen Gedankengang. Ausschlaggebend für das politische Engagement sei letztlich seine Frau gewesen, die in Maly schon damals einen politischen Menschen sah und ihn ermunterte.

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Dicke Bürgermeister im Kinderbuch

Auf die Frage, wie er einem 7-Jährigen erklären würde, was er in seinem aktuellen Job macht, antwortet er: „Wahrscheinlich müsste man sagen: Ich bin der Chef der Stadt. Wobei ich finde, dass Kinder bereits eine gute Vorstellung haben, was ein Bürgermeister macht.“

In vielen Kinderbüchern würden laut Maly auch Stadtchefs als Figuren auftreten. Oft seien das alte Männer mit dickem Bauch – was auf den fitten 58-Jährigen nicht wirklich zutrifft. Oder erinnert der Bürgermeister in Benjamin Blümchen an Ulrich Maly?

„Jeder Mensch, der in so ein Amt gewählt wird, sollte nicht versuchen, jemanden nachzuahmen. Man muss seine eigene Persönlichkeit im Rathaus einbringen. Ich glaube, ich habe mit meiner Persönlichkeit das Amt geprägt.“

Dr. Ulrich Maly

Tee trinken, Zeitung lesen, joggen

Die Morgenroutine des Bürgermeisters erklärt seine sportliche Erscheinung. Anstelle von Kaffee trinkt er in der Früh mehrere Tassen Tee. Dabei studiert er die wichtigen Zeitungen: Nürnberger Nachrichten, Nürnberger Zeitung, Süddeutsche Zeitung und die BILD.

Außerdem berichtet der politische Vertreter von einer halben Stunde Jogging. Danach ginge es frisch geduscht ins Rathaus. Dort gebe es allerdings keine Routine. Die Aufgaben wechseln. „Man vertritt die Stadt Nürnberg nach innen und außen“, erklärt der Oberbürgermeister.

Stadtratssitzungen gehören genauso zum Job wie Repräsentanztermine. Das gestalte den Job laut Maly schön vielseitig.

Wie wahrscheinlich ist ein Amoklauf?

Meckern oder jammern hört man den wichtigen Mann während des gesamten Gesprächs nicht ein einziges Mal. Auch von Ausflüchten und Ausreden gibt es keine Spur.

Auf die Frage, welches die schwierigsten Entscheidungen waren, die er im Amt des Oberbürgermeisters fällen musste, sagt Maly: „Wenn Sie überraschend in das Leben der Menschen eingreifen müssen, dann sind es schwierige Entscheidungen.“

Er erklärt, dass das eigentlich nur auf Krisen- und Katastrophenfälle zutreffe. Maly berichtet zum Beispiel vom Amoklauf in München im Jahr 2016. Er hatte damals das Klassik Open Air abgesagt – aus Pietätsgründen. Maly gibt zu: „Das gab viel Ärger.“ Viele Leute seien der Meinung gewesen, dass das, was in München passierte, rein gar nichts mit Nürnberg zu tun habe.

„Ich glaube nicht, dass es den einen Fehler gibt. Man macht immer mal Fehler – vielleicht, weil man nicht gut genug zuhört, Zwischentöne nicht bemerkt oder weil man vergisst, einen den man unbedingt hätte loben sollen, zu erwähnen.“

Dr. Ulrich Maly

Partizipation und Familie

Spricht man mit Ulrich Maly über Politik, merkt man schnell, dass ihm das weitverbreitete Vorurteil von den Politikern „da oben“ nicht gefällt. Er glaubt nicht, dass der Nürnberger Stadtrat über den Kopf des kleinen Mannes hinweg entscheidet. Deswegen hieß seine Kampagne auch „Stadtpolitik im Dialog“.

Partizipation bilde einen zentralen Stellenwert in Malys Arbeit. Er erzählt zum Beispiel von Bürgerdialogen, Onlinebeteiligung an politischen Entscheidungen und statistische Erhebungen zur Stimmung der Nürnberger.

Das Verhältnis zur kleineren Nachbarstadt Fürth beschreibt Maly wie die Beziehung zwischen Bruder und Schwester: „Du kannst nichts dagegen machen, dass der andere da ist, du gehörst irgendwie zusammen, aber man kann auch manchmal streiten.“

„Wenn man von Nünberg als Bild spricht, dann ist das Gesicht der Stadt sicher nicht das eines Topmodels, sondern eher das charaktervolle Gesicht einer älteren Frau mit den Narben und Falten des Lebens.“

Dr. Ulrich Maly

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