Dr. Isabelle Kürschner weiß, dass echte Zufriedenheit am Arbeitsplatz nicht aus Benefits entsteht, sondern aus Freiheit, Vertrauen und menschlicher Führung.
Im Interview mit Bürobesuch.de erklärt sie, wie Unternehmen mit Haltung und moderner Führung ihr Team stärken können und wie Arbeitsmodelle aussehen müssten, damit Menschen nicht nur funktionieren – sondern aufblühen.

Wie erklären Sie einer 7-Jährigen Ihren Beruf?
Das ist wirklich die schwierigste Frage. Meine Kinder klagen oft, dass niemand versteht, was ihre Mama macht.
Ich sage dann: Ich bin eine Lehrerin für Erwachsene, die sich auch nach der Schule im Berufsleben weiterentwickeln wollen.
Wann erkannten Sie, dass Zufriedenheit im Job die Produktivität steigert?
Das erkannte ich, als ich selbst extrem unzufrieden war. Ich hatte meinen Traumjob, aber die Bedingungen waren ein Alptraum: ein kleines Büro, feste Arbeitszeiten, keine Anreize, starre Hierarchien, null Flexibilität.
Der Geschäftsführer sagte überzeugt: „Kreativität findet nur am Schreibtisch statt.“ Doch ich ordne meine Gedanken gern beim Spazierengehen, arbeite im Café oder auf der Parkbank und nehme bei schönem Wetter nachmittags frei, um abends weiterzuarbeiten. Diese starren Vorgaben frustrierten mich.
2010 initiierte ich eine Studie zur „Arbeit- und Lebensgestaltung der Zukunft“ an der TU München. Wir befragten über 2000 Menschen in Bayern und viele sahen es wie ich: Gute Arbeit braucht Freiheit und Selbstbestimmung.
Gibt es ein Schlüsselerlebnis für moderne, menschliche Zusammenarbeit in Ihrer Laufbahn?
Ich arbeitete 14 Jahre eng mit einem virtuellen Team zusammen. Die Mitglieder saßen in Zürich, Amsterdam, London, Madrid und ich in Schwabach. Trotz der Entfernungen hatten wir eine enge Beziehung, weil wir bewusst Räume für Menschlichkeit schufen.
Neben den üblichen Kanälen hatten wir wöchentliche Virtual Watercooler Sessions, eine Art Kaffeepause, in der wir über alles außer Arbeit sprachen.
In unserer WhatsApp-Gruppe tauschten wir Alltägliches aus, wie es im Büro auf dem Gang oder in der Kaffeeküche geschieht – Fotos, Rezepte, Glückwünsche, Lustiges und Trauriges. Das zeigte mir: Zusammenarbeit ist fast überall möglich, wenn man den menschlichen Aspekten Raum gibt.
Wie erreicht ein Unternehmen, dass Menschen gerne arbeiten, und welche Stolperfallen gibt es?
In den letzten zehn Jahren haben wir viel Energie in Strategien oder Kulturwandel „von oben“ gesteckt. Dabei haben viele übersehen, dass kein Programm, kein Benefit, keine Dienstvereinbarung ein gutes Miteinander ersetzt.
Wichtig ist, dass Menschen einander als Menschen begegnen, egal auf welcher Hierarchieebene. Wenn Führungskräfte offen und ansprechbar sind, Räume schaffen, in denen sie zuhören und Sorgen ernst nehmen, erreichen sie mehr als mit einem Fitnessstudio-Abo oder einer schicken Weihnachtsfeier.
Webinar-Einladung: Vom KI-Aktionismus zum echten Mehrwert

Wo endet der KI-Hype – und wo beginnt der Nutzen fürs Geschäft? Diese Frage steht im Zentrum eines kompakten 45-minütigen Webinars, zu dem bürobesuch.de und Silbury Unternehmerinnen und Unternehmer aus der Metropolregion Nürnberg herzlich einladen.
Am 1. und 10. Dezember 2025 zeigt Markus Neubauer (Silbury) auf, wie Unternehmen eine pragmatische KI-Strategie entwickeln können, die sich an den zentralen Unternehmenszielen orientiert – jenseits von Aktionismus und Gießkannen-Prinzip. In einer abschließenden offenen Diskussion, moderiert von Bürobesuch-Herausgeber Constantin Kaindl, können Sie Ihre Fragen stellen.
Kerninhalte des Webinars:
- Messbarkeit statt Bauchgefühl: Welche 3 bis 5 KPIs wirklich zählen, um den ROI von KI-Initiativen zu erkennen.
- Priorisieren statt probieren: Ein Framework, das hilft, Potenziale schnell zu identifizieren.
- Von Pilot zu Praxis: Wie der skalierbare Einsatz gelingt – ohne Überforderung oder Budgetexplosion.
- Echte Beispiele aus dem Mittelstand: Was hat funktioniert – und was nicht?
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Wie lässt sich „Zufriedenheit“ greifbar machen, wenn Produktivität oft über Kennzahlen gemessen wird?
Das Gallup Institut misst regelmäßig: Hoch engagierte Teams haben 78 % weniger Fehlzeiten und 14 % höhere Produktivität. Firmen im besten Viertel der Mitarbeiterbindung erzielen 23 % mehr Gewinn als jene im schlechtesten.
Die Frage ist: Wie gehe ich mit diesen Daten um? Unternehmen, die in Mitarbeiterzufriedenheit investieren, wollen positive Auswirkungen auf den Erfolg sehen. Doch Beschäftigte mögen es nicht, wenn sie das Gefühl haben, dass nur in ihr Wohlbefinden investiert wird, damit sie mehr leisten.
Man muss authentisch vermitteln, dass einem die Menschen wichtig sind, nicht nur die Zahlen.
Welche Maßnahmen wirken in neuen Arbeitsmodellen nachweislich, welche sind symbolisch?
Je länger ich in diesem Feld arbeite, desto mehr bin ich überzeugt: Es braucht keine ausgefallenen Ideen wie demokratische Führungskräftewahl oder die 25-Stunden-Woche.
Die bewährten Regeln guter Kommunikation erzielen die größte Wirkung: echtes Interesse an Menschen zeigen, Fragen stellen, zuhören und das Gehörte ernst nehmen – und entsprechend handeln.
Warum liegt Deutschland in der Gallup-Studie bei Zufriedenheit und Engagement am Arbeitsplatz hinten?
In der Debatte um bessere Arbeit geht es bei uns zu sehr um Arbeitszeitverkürzung. Weniger Stunden, weniger Tage – die Forderungen sind seit Jahren gleich. Wir übersehen, dass wir im internationalen Vergleich relativ wenig arbeiten (laut OSZE 1.341 Stunden pro Jahr, EU-Durchschnitt 1.571).
Wir fokussieren uns zu sehr auf die Arbeitszeit und übersehen, wie unsere Arbeit gestaltet ist. Arbeit wird oft als fremdbestimmt erlebt, mit zu vielen Regeln, wenig Einfluss, undurchsichtigen Prozessen. Das führt zum Frust.
Ist das in anderen Ländern anders?
Ja, in Nordamerika setzen Unternehmen stärker auf Motivation, Bindung und individuelle Leistungsanreize und geben mehr Entscheidungsfreiheit.
Der Anteil engagierter Beschäftigter ist dort doppelt so hoch wie bei uns. Das merkt man, wenn man mit diesen Leuten zusammenarbeitet.
Was müsste sich in deutschen Unternehmen grundlegend ändern?
Ich wünsche mir, dass wir weniger jammern und uns bewusst machen, was für ein gutes, menschliches und sicheres Arbeitssystem wir haben. Es ist die Grundlage unseres Wohlstandes.
Doch bei aller Sicherheit müssen echte Anreize für Leistung möglich sein, durch mehr Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit, Mut zum Ausprobieren und die Erlaubnis, Fehler zu machen.
Wo sehen Sie die größten Chancen, die Arbeitswelt zu verbessern?
Ich beschäftige mich viel mit künstlicher Intelligenz und ihrer Auswirkung auf uns. Optimistisch stimmen mich Ansätze wie das Harvard-Programm „AI & Human Flourishing“. Es fragt, wo KI dem Menschen gut tut – Gesundheit, Beziehungen, Sinn, Entwicklung – und macht das messbar.
Der Ansatz ist praxisnah: kleine Pilotprojekte, Feedback einholen, Wirkung messen, nachschärfen. Technologie dient dem Menschen – solche Ansätze machen Mut und Hoffnung, dass wir alle vom Fortschritt profitieren können.

