Portrait

„Ich bin ein Wanderer zwischen den Welten”

Die Neugründung einer Universität ist eine Herausforderung, der sich innerhalb der letzten Jahrzehnte in Deutschland niemand stellen musste – bis zum Jahr 2017. Da hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen: Nürnberg soll eine neue Universität bekommen. Dieser Herausforderung stellt sich seit 2021 Gründungspräsident Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Jürgen Prömel. Wir sprachen mit ihm über die Vorteile einer kleinen Universität, seine Aufgaben an der UTN und was er in den nächsten Jahren geplant hat.

Der akademische Werdegang von Hans Jürgen Prömel ist vielseitig. Nach einem Studium in Mathematik und Volkswirtschaftslehre promovierte er 1982 in Bielefeld. Als Gastprofessor an der UCLA bekam er einen Einblick in das amerikanische Universitätssystem, habilitiert wurde er 1987 in Bonn. An der Humboldt Universität zu Berlin führte ihn sein Weg erstmals in die administrative Richtung, denn dort war er sieben Jahre hauptamtlicher Vizepräsident für Forschung. In diese Richtung habe es ihn aber nie aktiv gezogen. „Ich bin ein begeisterter Universitätsmensch. Ich finde Universitäten, Lehren und Lernen waren immer meine Lebensaufgabe.“ Die Position als Vizepräsident war dann ein Karrierewechsel, den er eigentlich nie gewollt und auch nie geplant habe. Aber Universitäten zu gestalten, aufzubauen und zu managen sei eine hochspannende Aufgabe.

Es gab quasi zwei Leben: das Leben des Wissenschaftlers und das Leben des Wissenschaftsadministrators.

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Hans Jürgen Prömel

Von sich selbst sagt er, er sei „Wanderer zwischen den Welten“, sowohl in Bezug auf die Universitäten, an denen er tätig war, als auch auf die Fächer, die er studierte: „Fachlich habe ich mich immer zwischen Mathematik, Anwendungen in den Wirtschaftswissenschaften und in der Informatik bewegt.“

An der TU Darmstadt war er zwischen 2007 und 2019 Präsident, dann hatte er sich eigentlich zur Ruhe gesetzt. Während seines Ruhestands bekam Prömel Angebote von mehreren Universitäten. Letztendlich hat er sich für die Technische Universität Nürnberg (UTN) entschieden und ist dort seit 2021 Gründungspräsident. Seinen Enkeln erklärt er seinen Beruf folgendermaßen: „Unsere Universitäten sind Schulen für Erwachsene, in der viel mehr Menschen sind als in der Schule. Der Opa ist dann der Leiter dieser Schule und versucht den Lehrern zu sagen, was sie zu tun haben und das Lehrmaterial zur Verfügung zu stellen.“

Auf dem Papier ist also klar, was die Aufgabe von Hans Jürgen Prömel ist. Für ihn selbst sei die Gründung einer Universität im technischen Bereich eine fantastische Situation, sagt er. Vor allem in diesem Bereich habe sich innerhalb der letzten Jahre so viel getan. Eine neu gegründete Universität habe den Vorteil, dass sie das wissenschaftliche Profil komplett neu denken könne.

Auch in Bezug auf die Lehre möchte die UTN neue Wege gehen. Auch wenn sie aktuell eine vergleichsweise kleine Universität sei, sieht Prömel das als großen Vorteil, denn Prozesse können so relativ einfach eingeführt und bei Bedarf wieder abgeschafft werden. Prömel sieht vor allem darin die Vorreiterrolle, von der er hofft, dass sie auch für andere Universitäten hilfreich ist: „Wir wollen uns nicht abgrenzen, sondern wir wollen zeigen, was möglich ist und das in sehr guter Kooperation mit den anderen bayerischen Hochschulen.“ Um Veränderungen anzustoßen, sei es wichtig, dass die Menschen mitgenommen würden. Diese müssten dann nämlich für die Veränderung votieren.

Es geht ihm aber nicht nur um den Aufbau einer Universität als reine Lehr- oder Wissenschaftsanstalt. Während des Studiums seien Studierende in der Phase, in der sie selbstständig würden und dann für den beruflichen Einstieg gerüstet seien. „Universität hat als eine Aufgabe Wissensvermittlung, aber als eine zweite – die ich für mindestens ebenso wichtig halte – die Persönlichkeitsbildung.“

Die Vision von Hans Jürgen Prömel für die Technische Universität ist eine Verschränkung von Ingenieurs- und Sozialwissenschaften. Er möchte auf der einen Seite die Ingenieure zur Reflexion erziehen. Auf der anderen Seite sollen auch Ingenieurwissenschaften Teil eines geisteswissenschaftlichen Studiums sein. Welche Themen integriert werden sollen, möchte Prömel dem jeweiligen Chair überlassen.

In den nächsten fünf Jahren soll die Universität nach und nach aufgebaut werden. Mit dem Online-Kurs „Mobile Robotics“ startete die UTN im November 2022 mit 30 Teilnehmenden die erste Online-Lehrveranstaltung. Ab dem Wintersemester 2023/24 soll der erste Masterstudiengang „Artificial Intelligence and Robotics“ beginnen. 2025 soll dann ein Studiengang im Bereich „Liberal Arts and Sciences“ folgen.

Auch räumlich soll es vorangehen, denn 2024 soll der „Cube One“ fertiggestellt werden, in dem das Gründungspräsidium und die Chairs der Departments untergebracht werden sollen. „Mir ist ganz wichtig, dass wir symbolisch auf dem Campus wohnen.“, so Prömel. Nicht nur räumlich, sondern auch personell soll der Campus wachsen. Bis 2026 strebt Prömel 35 Professuren an. 2031 sollen es sogar 75 Stellen werden.

Das Wichtigste an der Position für Prömel ist die „Offenheit – insbesondere für alle Menschen in der eigenen Institution. Hören, was gesagt wird und sich erst dann eine Meinung bilden.“

Constantin Kaindl (Bürobesuch.de) & Hans Jürgen Prömel (Technische Universität Nürnberg)

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